News im Rettungswesen

Digitalfunk - ein Buch mit 17 Siegeln?

Die Leser von BRANDSchutz/Deutsche Feuerwehr-Zeitung wurden schon mehrfach mit dem Thema "Digitalfunk" konfrontiert. Und mit Sicherheit wird hierüber noch viel zu schreiben sein. Für 2003 hoffe ich, dass endlich auch über positive Entwicklungen des Bundes und der 16 Länder berichten ist...

Im Dezember 2002 schrieb der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, Gerald Schäuble,
an die Regierungschefs des Bundes und der Länder sowie an Bundesinnenminister Otto Schily
und forderte sie auf, die Einführung eines modernen Funknetzes jetzt voranzubringen. "Sowohl alltägliche Einsätze als auch Großereignisse, wie das Hochwasser an Elbe und Donau, der Flugzeugzusammenstoß am Bodensee oder der Güterzugunfall bei Minden zeigen regelmäßig Mängel des über 30 Jahre alten Funksystems auf. Es genügt nicht mehr den taktischen, technischen und datenschutzrechtlichen Anforderungen. Die Umstellung auf ein modernes Funksystem ist für die Sicherheit sowohl der Retter als der zu Rettenden dringend erforderlich.
Der Betrieb eines bundeseinheitlichen Digitalfunknetzes ist wirtschaftlicher als viele zusammen-geschaltete Analognetze. Ein einheitliches Netz ist auch die Voraussetzung, damit alle Sicherheitsbehörden und -organisationen in Deutschland miteinander kommunizieren können.
Bund und Länder müssen sich daher einvernehmlich für eines der angebotenen Systeme entscheiden."Auch im zurückliegenden Jahr wurde hart um die Einführung eines bundesweiten, digitalen Funksystems für alle Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) gerungen. Ursprünglich gesetzte Realisierungsziele konnten jedoch nicht erreicht werden. Mit dem Milliarden-Projekt sind insbesondere folgende Gremien befasst:

Die Zentralstelle für die Einführung des Digitalfunks (ZED) im Bundesinnenministerium (BMI) bearbeitet das Projekt im Auftrag des Bundes und der Länder federführend. Steuerungsgremium der ZED ist der Verwaltungsbeirat. Gemeinsam mit dem Arbeiter-Samariter-Bund, dem Deutschen Roten Kreuz, der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, der Johanniter-Unfall-Hilfe, dem Malteser Hilfsdienst und dem Technischen Hilfswerk sowie in Abstimmung mit der Polizei begleitet der Deutsche Feuerwehrverband das Projekt zum "Aufbau des digitalen Sicherheitsfunknetzes in Deutschland".

Die Innenminister-Konferenz (IMK) ist von der Erfordernis eines modernen Funknetzes überzeugt - genau wie Bundesinnenminister Otto Schily. Am 6. Dezember 2002 wurde noch einmal die Dringlichkeit betont. Der letzte IMK-Vorsitzende, Bremens Innensenator Dr. Kuno Böse, musste anlässlich der Katastrophenschutzübung am 21. September 2002 in Bremen miterleben, welche dramatischen Folgen Ausfälle von Kommunikationseinrichtungen haben. Dennoch konnte die Finanzminister-Konferenz noch nicht von der Dringlichkeit dieses Projektes überzeugt werden,
denn die Haushälter stuften es – niemand beklage den Föderalismus! - in der vorgelegten Form einstimmig als haushaltsmäßig nicht durchführbar ein.

Der Arbeitskreis V (AK V) der IMK bereitete die Innenminister sowie die Innenstaatssekretäre vor.

Der Ausschuss IuK des AK V leistet die umfangreiche, erforderliche Facharbeit. Schwierig sind die bundesweiten Abstimmungsprozesse, bedauerlich die Mühen, Informationen mit dem Polizeibereich abzugleichen.

Der Deutsche Städtetag begleitet im "Beirat für Katastrophenschutz, Brandschutz und Rettungswesen" das Projekt von Anfang an.

Der Arbeitskreis Technik sowie der Arbeitskreis Grundsatzfragen der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren (AGBF) haben die Anforderungen der Feuerwehren zusammengetragen und dem Ausschuss IuK vorgelegt.

Die 48. Delegiertenversammlung des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) verabschiedete am 16. November in Heyrothsberge einstimmig eine Resolution. Die Delegierten forderten "im Interesse der Beibehaltung und Funktionalität des flächendeckenden Gefahrenabwehrsystems", keine aus finanziellen Gründen reduzierte Version des Digitalfunks in Auftrag zu gegeben. Die Einführung einer "Billigversion" ist wirtschaftlich unsinnig, denn sie würde in der Folge durch Nachbesserungen zur teuersten Lösung werden. Der Deutsche Feuerwehrverband appellierte daher an alle Verantwortlichen, das Digitalsystem bundeseinheitlich zu realisieren. Der Aufbau nicht kompatibler Funknetze innerhalb Deutschlands – ein "Flickenteppich" - würde in Folge mangelnder Kommunikationsmöglichkeiten zum nicht kalkulierbaren Sicherheitsrisiko führen,

Die Ministerpräsidenten-Konferenz (MPK) hatte das Thema bei ihrer Sitzung am 19. Dezember 2002 auf der Tagesordnung, um eine kurzfristige Einigung der Innen- mit den Finanzressorts herbeizuführen. Der DFV appellierte an die politische Gesamtverantwortung der Regierungschefs.

Diverse Planungs- und Aufbaustäbe der Anbieter der Netze und der Geräte haben Fachleute zusammengezogen, um die Angebote auszuarbeiten und die Gremien zu beraten. Die Spezialisten der Firmen EADS, Motorola, Nokia, Rhode & Schwarz, Siemens, T-Systems, Vodafone und andere können nicht monatelang im "Stand-by-Betrieb" bleiben, ohne die Projektkosten zu steigern oder ohne andere öffentliche Projekte zu gefährden.

Nahezu alle europäischen Staaten sind viel weiter als Deutschland: Sie haben sich längst für ein digitales Funknetz entschieden. Die Feuerwehren kennen die schwierige Haushaltlage von Bund, Ländern und Gemeinden. Diese Situation darf jedoch nicht zum Sicherheitsrisiko führen. Allerdings dürfen die Kosten für Bau- und Betrieb des bundesweiten neuen Funksystems den Bestand der kommunalen Freiwilligen Feuerwehren nicht in Frage stellen.

Die deutschen Feuerwehren erwarten daher jetzt von Politikern die Unterstützung, die den Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmännern nach Großeinsätzen schon so oft zugesagt wurde - zuletzt nach dem Hochwasser an der Elbe und ihren Nebenflüssen im August 2002.

Dipl.-Ing. Albrecht Broemme

Landesbranddirektor
Berliner Feuerwehr
Vorsitzender der AGBF
Vizepräsident des DFV


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Quelle:
Mit freundlicher Genehmigung
Dipl.-Ing. Albrecht Broemme.

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